Viele Jahrtausende galt er als Baustoff der Armen. Aber als es nach den beiden Weltkriegen einen extrem hohen Bedarf an schnell verfügbarem Baumaterial gab, gewann auch der Lehm wieder an Attraktivität. Seitdem hat sich der Bedarf zwar erneut gelegt. Doch in den letzten Jahren ruft sich der traditionsreiche Baustoff vermehrt ins Gedächtnis zurück. Im Fokus liegt dabei etwas, das früher noch nicht auf der Tagesordnung stand. Denn in einem Lehmbau zu wohnen, ist gesund! Warum das so ist und welche interessanten Eigenschaften der Lehm noch zu bieten hat, verraten wir in unserem Artikel über den modernen Lehmbau!

Ein historischer Baustoff

Die bislang älteste auf Lehm basierende menschliche Behausung, so fanden Archäologen heraus, wurde bereits etwa 600.000 Jahre vor unserer Zeit errichtet. In Prag stieß man bei Grabungen auf die Reste einer alten Hütte, bei der ein Lehmgemisch zum Bau verwendet worden war. Und die Entwicklung von Lehmbauten setzte sich seitdem pausenlos fort. Gerade einmal 500 Jahre ist es her, dass im jemenitischen Shibam ein 30 Meter hohes Lehmhaus entstand.

Und heute, fünf Jahre, nachdem es für den wiederentdeckten Baustoff sogar wieder eine Deutsche Industrie-Norm (DIN 18947) für die Güte von Lehmsteinen, -putzen und -mörtel gibt? Da wird munter weitergebaut, wie beispielsweise an Europas größtem Bürogebäude aus Lehm, das Alnatura auf einem ehemaligen amerikanischen Militärstützpunkt in Darmstadt errichtet und im Frühjahr 2019 als neuen Arbeitsort für seine 500 Mitarbeiter eröffnen wird.

© Dachverband Lehm e.V. | Lehm mag einer der ältesten Baustoffe der Geschichte sein. Dessen ungeachtet lassen sich mit dem Material…

Die Vorteile von Lehm

Der traditionsreiche und vor allem natürliche Baustoff Lehm hat gegenüber Beton und Ziegeln eine Reihe beachtlicher Vorteile. Diese sind besonders für solche Menschen attraktiv, die auf eine nachhaltige und gesunde Lebensweise Wert legen. Einige Beispiele dazu:

  • Verbesserung des Raumklimas: Durch die günstigen Werte bei der Sorptionsfähigkeit ist ungebrannter Lehm in der Lage, große Mengen Wasserdampf abzulagern und sorgt damit für eine konstante Luftfeuchtigkeit, beispielsweise in Küchen oder Bädern. Die Gefahr einer Schimmelbildung sinkt dadurch ebenso wie das Risiko von Schleimhautentzündungen oder Erkältungen der Bewohner. Darüber hinaus absorbieren Lehmwände Feinstaub und Gerüche, sorgen für kühle Räume im Sommer und machen Klimaanlagen überflüssig.
  • Verringerung des Heizaufwandes: Fachleute errechneten, dass sich in Lehmbauten die Heizkosten um durchschnittlich 15 Prozent reduzieren lassen. Die Wände speichern die Wärme bei Tag, um sie während der kühleren Abendstunden wieder abzugeben, und können die jährliche Heizperiode sogar um bis zu sechs Wochen verkürzen.
  • Ressourcenschonend und recycelbar: Um aus Naturlehm einen verwertbaren Baustoff herzustellen, wird nur rund ein Prozent der Energiemenge verbraucht, die bei der Produktion von Mauerziegeln oder Stahlbeton benötigt wird. Da Lehm als Bestandteil der gesamten Erdkruste durch einen natürlichen Verwitterungsprozess entsteht, kann eine Verknappung dieses Rohstoffs ausgeschlossen werden. Außerdem lässt er sich beliebig oft verwenden.
  • Verringerung hochfrequenter Strahlung: Mauerwerk aus Lehm, das fanden Wissenschaftler aus dem Institut für Hochfrequenz, Mikrowellen und Radartechnik in München heraus, schirmt die elektromagnetische Strahlung wirkungsvoller ab, als bei Kalksandstein oder Hohllochziegeln üblich, und reduziert damit die Gefahr von Elektrosmog deutlich.

Einsatz mit Verstand

Dennoch hat der altbewährte Bauwerkstoff Lehm auch einen Nachteil, der sich vor allem in Nassbereichen negativ auswirken kann: Er ist nicht gebrannt und folglich wasserlöslich! Das bedeutet, dass speziell für Feuchträume einige Vorsichtsmaßnahmen zu treffen sind. Besonders sensible Bereiche in der Spritzwasserzone von Duschen, Badewannen oder Waschbecken sollten daher besser gleich verfliest werden.

Allerdings bleibt die Industrie hier nicht untätig: Alle handelsüblichen Lehmbaustoffe sind in der Endphase ihrer Herstellung nahezu vollständig ausgetrocknet und wurden mit natürlichen Zuschlagstoffen versetzt. Mit deren Hilfe wird die Druck-, Zug- und Abriebfestigkeit entsprechend der zu erwartenden Einsatzbedingungen erhöht. Ebenso lässt sich die Wasserempfindlichkeit bei gleichzeitiger Maximierung der wärmedämmenden Eigenschaften so beinahe auf Extremwerte reduzieren.

© Dachverband Lehm e.V. | Heute tritt Lehm in zahlreichen Formen als Baustoff in Erscheinung. Auch als Gestaltungselement ist er dabei…

Verwendungsmöglichkeiten von Lehmbaustoffen

Doch wie lässt sich nun ein moderner Lehmbau errichten bzw. wie kann man Lehm verarbeiten? Aktuelle Lehmbaustoffe unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung teilweise erheblich. Sie sind aufgrund ihrer Formgebung und Abmessungen für viele Einsatzbereiche im Wohnungs-, Gewerbe- und Industriebau verwendbar, die wir in einer Kurzübersicht zusammengefasst haben:

Bautechnik

Fußboden

tragende
Wand

nicht tragende Wand

Decken und Dach

Trockenbau

Putze

Stampflehm

ja

ja

ja

nein

nein

nein

Wellerlehm

nein

ja

ja

nein

nein

nein

Strohlehm

nein

nein

ja

ja

nein

ja

Leichtlehm

nein

nein

ja

ja

nein

ja

Lehmschüttung

ja

nein

nein

ja

nein

nein

Lehmmörtel

nein

ja

ja

nein

nein

ja

Lehmsteine

nein

ja

ja

ja

ja

nein

Lehmplatten

nein

nein

ja

ja

ja

nein

Quelle: Dachverband Lehm e.V. in Weimar

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